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Walter Pöchhacker

Das Burgenland mit seiner Soko-Vertuschungstruppe im Fall Kampusch erinnert mich auch frappant an einen anderen Fall. Man schrieb das Jahr 1980. Ort der Handlung: Neusiedl am See sowie Podersdorf. Ein Auszug aus meinem Buch:


Meine erste Erfahrung, wie manche Beamte versuchen, eigene Fehler zu vertuschen, machte ich als Berufsdetektivassistent nach gerade ein paar Monaten Praxis.

Als Auftraggeber erschien in der Detektei wutentbrannt ein bekannter, in Wien ans?ssiger Arzt. Dieser hatte 14 Tage zuvor mit einer Freundin, einer ebenso bekannten Richterin, ein Wochenende in einem bekannten Weinort im Burgenland verbracht. In einem Doppelzimmer in einem ebenso bekannten Hotel sollte der mit sportlichen Aktivit?ten ausgef?llte Tagesplan seinen Ausklang bzw. H?hepunkt finden.

Wie dem auch war, um 4 Uhr in der Fr?h hatten die beiden tief geschlafen, als der Arzt durch ein Ger?usch aus dem Schlaf gerissen wurde. H?tte er gewusst, dass soeben ein betrunkener Autofahrer seinem hei? geliebten, auf dem Hotelparkplatz abgestellten englischen Sportwagen einen betr?chtlichen Schaden zugef?gt hatte, h?tte er wohl nicht wieder sofort ermattet weitergeschlafen.

So sah man die Bescherung erst am n?chsten Morgen. Da in der hoteleigenen Diskothek bis 4 Uhr reger Betrieb geherrscht hatte, konnte man wohl davon ausgehen, dass es sich bei dem Fahrerfl?chtigen um einen Besucher des Tanztempels handelte. Eine Anzeige bei der Gendarmerie brachte zwar vorerst Hoffnung, nach 14 Tagen aber Ern?chterung: Vom T?ter war weit und breit keine Spur.

Aus H?flichkeit, vor allem aber in der ?berzeugung, dass unsere Ermittlungen fr?her oder sp?ter ohnehin bekannt geworden w?ren, suchten wir als Erstes den Gendarmerieposten auf und stellten uns dem Kommandanten vor. Er gab sich zwar sehr verbindlich, seine Blicke aber sprachen B?nde wie ?Ihr Wiener habt?s uns gerade noch gefehlt?.

Ansatzpunkt f?r die Ermittlungen war naturgem?? die Disko. Wir wollten versuchen, alle G?ste dieser Nacht zu eruieren. Da aufgrund des Schadens die Farbe des Fluchtfahrzeuges bekannt war, sollte die Ermittlung des entsprechenden Fahrzeughalters wohl m?glich sein. Vorerst befragten wir das Personal, konkret den Barkeeper und einen Lehrbuben, und luden sie auf ein Getr?nk ein. Sie waren zwar sehr kooperativ, konnten sich aber aufgrund der bereits verstrichenen Zeit nur mehr an wenige G?ste erinnern, von denen sie uns soweit m?glich Namen und Adressen nannten. Wir bezahlten mit einer 1.000-Schilling-Banknote und lie?en den Rest als Trinkgeld liegen.

Die Ermittlungen gestalteten sich ausgesprochen langwierig. Einerseits konnten nicht alle Personen immer sofort angetroffen werden, andererseits wurden die Disko-Besucher immer mehr. So gingen wir Schritt f?r Schritt vor, bis uns schlie?lich alle G?ste dieses Abends bekannt waren ? alle bis auf eine Gruppe von acht Personen, die zwar gesehen worden waren, von denen aber niemand pers?nlich bekannt war. Offenbar stammten diese Leute aus einer Nachbarortschaft.

Auch die letzte noch zu befragende Person, eine Studentin, konnte sich zwar an diese Gruppe erinnern, kannte aber niemanden davon pers?nlich. Schlie?lich meinte sie, dass auch ihr Freund an diesem Abend in der Disko mit gewesen sei, aber erst in drei Stunden von Wien eintreffen w?rde. Vielleicht w?sste ja er noch etwas.

Was sollten wir machen? Nach zweieinhalb Tagen v?llig demotiviert und m?de noch drei Stunden warten und die Zeit totschlagen? Wie gro? war die Wahrscheinlichkeit, dass uns nach ca. 70 befragten Personen ausgerechnet der allerletzte Gast weiterhelfen konnte? Oder sollten wir aufgeben? Wir entschieden uns f?r Ersteres.

Nach drei Stunden Wartezeit in einem vereinbarten Lokal erschien die Studentin mit ihrem Freund im Schlepptau. Schon beim Betreten des Gasthauses setzte sie ein freudiges L?cheln auf und wir wussten sofort, dass sich das Warten bezahlt gemacht hatte. Ihr Freund konnte sich n?mlich erinnern, dass ?ber das h?bsche ?Dirndl? eines M?dchens der gesuchten Gruppe gesprochen worden war, worauf jemand erwidert hatte, dass die Tr?gerin die Winzerk?nigin des vergangenen Jahres aus einer Nachbarortschaft sei.

Diese war schnell ermittelt und gab schlie?lich kleinlaut zu, dass ihr eigener Freund den Unfall verursacht hatte und sie selbst im Pkw dabei gewesen war. Der Freund versuchte noch den Wagen zu verstecken, gab schlie?lich aber alles zu. Wir legten ihm nahe, sofort eine Selbstanzeige zu machen.

Inzwischen war es 4 Uhr Fr?h geworden und wir konnten es uns nicht verkneifen, den diensthabenden Gendarmeriebeamten herauszul?uten, um ihm mitzuteilen, dass in den n?chsten Minuten der gesuchte Unfallfl?chtige erscheinen w?rde. Sein gleicherma?en verschlafenes wie verdutztes Gesicht blieb mir gut in Erinnerung. Der Fall war innerhalb von drei Tagen abgeschlossen!

Gut, ich h?tte es nicht machen m?ssen. Andererseits bereitete es mir eine gewisse Genugtuung, am n?chsten Tag den Postenkommandanten anzurufen, um ihm pers?nlich die Vollzugsmeldung zu erstatten. Dieser behauptete zu meinem Erstaunen, noch gar nichts von dem Vorfall zu wissen, versprach aber zur?ckzurufen. Er meinte abschlie?end trocken, dass es wohl keine gro?e Kunst gewesen w?re, den Lehrbuben zu bestechen. Er h?tte schon mit dem Hoteldirektor gesprochen und der Lehrbub h?tte die Konsequenzen zu tragen. Er w?rde entlassen werden.

Der zust?ndige Beamte besa? also die Frechheit, seine eigene Unf?higkeit oder Faulheit dem v?llig schuldlosen Buben in die Schuhe zu schieben. Ich fuhr auf eigene Kosten nochmals in das Hotel und kl?rte den Besitzer ?ber die wahren Hintergr?nde auf. Er hatte tats?chlich geglaubt, dass uns der Bub laut den Angaben des Beamten das Kennzeichen des Fluchtautos ?verkauft? h?tte! Wir boten ihm ?unsere? Studentin als Zeugin an und stellten ihm die rhetorische Frage, wie denn der Bub ?berhaupt h?tte wissen k?nnen, dass ihm jemand Geld f?r ein Kennzeichen bieten w?rde. Und dies 14 Tage nach der ersten Befragung durch die Gendarmerie! Ich drohte unverbl?mt mit einem riesigen Medienrummel und die Angelegenheit war rasch bereinigt. Auch dem Postenkommandanten sagte ich meine Meinung und drohte mit einer Beschwerde. Da er aber auf einmal ziemlich kleinlaut wurde, nahm ich davon Abstand.

Interessant ist es auch, die zivilrechtliche Komponente dieses Falles zu beleuchten. In bestimmten F?llen hat ein Auftraggeber n?mlich das Recht, das Detektivhonorar nach dem Verursacherprinzip vom ?Sch?diger? ganz oder teilweise zur?ckzufordern, d.h. zu regressieren. In der Praxis kommt dies am h?ufigsten bei Ladendiebst?hlen oder Ehescheidungen vor. Auch in diesem Fall wollte unser Klient das an uns bezahlte Honorar vom bereits strafrechtlich verurteilten Fahrerfl?chtigen einklagen.

Dieser stand jedoch auf dem ebenfalls nicht ganz unverst?ndlichen Standpunkt, dass seine Ausforschung durch die Gendarmerie f?r den Gesch?digten mit keinerlei Kosten verbunden gewesen w?re und er f?r deren Unf?higkeit, ihn zu finden, nichts k?nne. Da es zu einem Vergleich kam, wurde der Fall leider nicht ausjudiziert.

Vielleicht kann man nachvollziehen, dass mich dieser an sich simpel zu l?sende Fall damals als ?frisch gefangener? Detektiv trotzdem mit Stolz erf?llte. Allein Ausdauer und die Erkenntnis, dass man nur einen Brief aufgibt, f?hrten zum Erfolg. Und dass man die Leute zum Reden bringen muss! In diesem Fall war dies insofern leicht, als sich alle Befragten vorstellen konnten, einmal selbst in die Situation unseres Auftraggebers geraten zu k?nnen. Wir mussten demnach auch nicht ?verdeckt?, also unter einem anderen Vorwand und unter anderer Identit?t ermitteln.
12.05.07, 07:57:24
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