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Frau Kampusch und das "b?se Buch"

Frau Kampusch beeindruckt mich nach wie vor und immer wieder.

Aber zum jetzt nur mehr so genannten "Skandalbuch" sollte sie sich eine eigene Meinung bilden oder schweigen. So wirkt das marionettenhaft ferngesteuert, zudem sie (siehe heutiges Interview mit Frau Fellner) ja zugibt, es selbst nicht lesen zu wollen - was sehr verst?ndlich ist.

Ich selbst lese das Buch gerade und konnte bis jetzt nichts finden, was die Verurteilung durch Dr. Ganzger und in Folge in den Medien rechtfertigen w?rde. Wenn spekuliert wird, sagen die Autoren das und nennen die Gr?nde, die sie zu gerade dieser Speuklation bewogen haben. Ansonsten wird Bekanntes wiederholt oder, wo Neues gebracht wird, die Quellen angegeben. Die "s?ddeutsche", eine Qualit?tszeitung, hat geschrieben: "Ein ?berraschend gut recherchiertes Buch." So weit w?rde ich nicht gehen. Die Recherche scheint manchmal doch auch auf dem "Achterl mehr" zu beruhen. Aber das ist ja nichts f?r dieses Buch spezifisches.

Eine von anderen eingesetzte Methodik finde ich viel bedenklicher:
N?mlich den Verkauf des Buches in ?sterreich zu verhindern und dann, wo die Mehrheit der M?glichkeit beraubt ist, sich ein eigenes Urteil bilden zu k?nnen, das Werk und die Autoren in den Medien zu diskreditieren.

Dies ist weder der Kanzlei LGP noch der Frau Kampusch w?rdig. Das h?tte man besser bleiben lassen, denn es wirft kein gutes Licht auf die Akteure. "Licht ins Dunkel" ist allemal besser als Zensur, Index und B?cherverbrennung.

[URL="http://blog.oe24.at/roller/page/pgruendler?entry=frau_kampusch_und_das_b%C3%B6se"]http://blog.oe24.at/roller/page/pgruendler?entry=frau_kampusch_und_das_b%C3%B6se[/URL]
16.12.06, 22:32:01

Sceptica

Kampusch-Biografie
Wer zuerst kommt
Im Eiltempo haben zwei britische Journalisten ein Buch ?ber Natascha Kampusch verfasst - ihre Anw?lte drohen den Autoren nun mit Klage.
Von Wolfgang Koydl

Es ist schon lange her, dass der britische Journalismus weltweit einen guten Ruf genoss. Heute verbindet man im Ausland mit Publikationen von der Insel h?ufig eher schlampig recherchierte Sensationsgeschichten ?ber schl?pfrige Einzelheiten aus dem Intimleben prominenter oder notfalls auch weniger ber?hmter Leute. Human Interest hei?en solche Storys im Englischen, weil sie - wohl im Gegensatz zur dr?gen Politik und Wirtschaft - die Menschen wirklich besch?ftigen.

So wie die Story von Natascha Kampusch. Sie ist wirklich ber?hmt, ja, man l?ge wohl nicht falsch mit der Annahme, dass mehr Menschen das Gesicht der 18-j?hrigen ?sterreicherin erkennen w?rden als etwa jenes von UN-Generalsekret?r Kofi Annan.

Das ?bermenschliche M?dchen
Denn die Geschichte der jungen Frau, die als Zehnj?hrige in Wien von einem Psychopathen entf?hrt und mehr als acht Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen gehalten wurde, bevor sie sich dann selbst im vergangenen Sommer befreite, ber?hrt menschliche Ur-Instinkte und -Gef?hle. Fast erinnert ihre Geschichte an das M?rchen von der Sch?nen, die kraft ihrer Pers?nlichkeit das Biest z?hmt, das sie in ihrer Gewalt h?lt.

In erster Linie ist es aber die Mutter aller Human-Interest-Geschichten. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass zwei britische Journalisten nur drei Monate nach der Flucht Natascha Kampuschs das erste Buch ?ber ihr Schicksal und vor allem ?ber das komplexe Verh?ltnis geschrieben haben, das sich zwischen dem M?dchen und ihrem Entf?hrer Wolfgang Priklopil ?ber die Jahre entwickelte.

Zudem ist es eine Geschichte ?ber eine beeindruckende Pers?nlichkeit: "Natascha Kampusch h?tte als jemand, der nicht mehr menschlich ist, aus diesem Keller und diesem Haus auftauchen k?nnen", hei?t es an einer Stelle. "Stattdessen kam sie als beinahe ?bermenschlich heraus."

?berraschend solide Recherche
"Girl in the Cellar" ("M?dchen im Keller") von Alan Hall und Michael Leidig ist 270 Seiten dick und beim renommierten und seri?sen Londoner Verlagshaus "Hodder & Stoughton" erschienen. Schund wird hier nicht publiziert. Es ist das, was man in der Branche einen Schnellschuss nennt: Im Hinblick auf das nahende Weihnachtsgesch?ft mit der hei?en Nadel gestrickt, um als Erster mit einer Publikation einen gierigen Markt zu befriedigen.



Doch gemessen an der knappen Zeitspanne ist "Girl in the Cellar" ?berraschend solide recherchiert: In bester Reportermanier befragten Hall und Leidig Angeh?rige und Nachbarn, Polizisten, Psychiater und Psychologen, und sie vertieften sich in einschl?gige Sekund?rliteratur und Zeitungsarchive ebenso wie in aktuelle Berichte.

Nur mit einer Person konnten sie nicht sprechen: Natascha Kampusch lehnte zwei Interview-Anfragen der Briten ab. Sie sei schon, lie? sie ?ber ihren Sprecher Stefan Bachleitner mitteilen, "einigerma?en ver?rgert, dass sich jemand anma?t, ein Buch ?ber sie zu schreiben". Das hat die junge Frau sich selber vorbehalten, und deshalb haben ihre Anw?lte bislang noch jeden Versuch anderer Autoren, mit einem Buch vorzupreschen, zu verhindern gewusst.

Umso gr??er waren die Aufregung und die Emp?rung, als "Girl in the Cellar" Ende vergangener Woche beim Interneth?ndler Amazon und in britischen Buchl?den in den Verkauf ging. Am 1. Januar kommt das Buch, verlegt von dem angesehenen Verlag HarperCollins, in den USA auf den Markt. Nach Angaben aus Verlagskreisen in der britischen Hauptstadt wurden die Rechte bei der Frankfurter Buchmesse zudem in zahlreiche andere L?nder verkauft.

Versteckt in den Regalen
Nur in Deutschland, ?sterreich und der Schweiz wird man das Buch ?ber das Entf?hrungsopfer nicht lesen k?nnen. Denn die Kampusch-Anw?lte haben jedem rechtliche Schritte angedroht, der das Buch publiziert und damit - nach ihrem Rechtsverst?ndnis - die Pers?nlichkeitsrechte ihrer Mandantin verletzt. Solche Ma?nahmen hatte Anwalt Gerald Ganzger auch schon den britischen Verlegern in Aussicht gestellt - nur um alsbald einen R?ckzieher zu machen.

Man wolle mit einem Prozess nicht noch die Werbetrommel f?r das Werk r?hren, erkl?rte er. Stattdessen wolle man abwarten, wie sich das Buch verkaufe.

Kampusch-Bericht in Planung?
Wenn es nicht mehr als 500 oder 200 Exemplare seien, w?rde man nicht einschreiten, erkl?rte Anwalt Ganzger. Das d?rfte freilich Wunschdenken bleiben. Nach der - allerdings nicht repr?sentativen - Auskunft Londoner Buchh?ndler wird "Girl in the Cellar" gut abgesetzt, wobei das Buch noch nicht einmal prominent auf den Tischen mit den Neuausgaben platziert, sondern in den Regalen versteckt wird.

Natascha Kampusch hat immer betont, dass sie ?ber ihr Verh?ltnis zu ihrem Entf?hrer nur selbst berichten wolle - und auch erst dann, wenn sie dazu bereit sei. Nach unbest?tigten Berichten aus der Londoner Verlagsszene freilich ist ein Buch aus ihrer Feder bereits in Vorbereitung und wird derzeit interessierten Verlagen offeriert.

Und Interesse besteht, nicht nur im Buchgewerbe, hei?t es. Im Hintergrund wartet auch schon Hollywood. Vermutlich haben Hall und Leidig recht, wenn sie konstatieren, dass Natascha Kampusch zu einer Marke zu werden droht: "Sie ist die Prinzessin Diana des einfachen Mannes: wie von Geistern verfolgt, wie ein Wild gejagt . . . von einer sensationsgierigen Welt." Zu den J?gern geh?ren freilich auch sie selbst.
[URL="http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/71/93977/4/print.html"]http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/71/93977/4/print.html[/URL]


16.12.06, 22:45:30

Sceptica

My BERLIN

Vom Leben im Keller
Roger Boyes, The Times


Der Keller ist f?r mich schon immer der geheimnisvollste Ort im Haus gewesen. Als Kind war er ein Fluchtort, wo ich mit der Taschenlampe las, w?hrend meine Eltern oben einen ihrer epischen Streits abhielten. Ich sp?rte, wenn diese St?rme heranzogen, und dann nahm ich mir eine Decke, eine Banane und ein St?ck K?se und verzog mich hinter den ausrangierten Schaukelstuhl im Keller. Das waren gute oder wenigstens keine schlechten Momente. Viele f?rchten sich vor dem Keller, aber in Berlin habe ich die Erfahrung gemacht, dass er vielen ?lteren Menschen hier einladend vorkommt ? eine H?hle, die sie vor den Bomben gesch?tzt hat und sp?ter vor den Russen.

Deshalb geht vom Fall der Natascha Kampusch, dem ?sterreichischen M?dchen, das acht Jahre lang in einem Keller festgehalten wurde, eine starke Faszination aus. Der Keller war ihr Gef?ngnis, aber auch der Ort, an dem sie aufwuchs, ein Teil von ihr.

Vor ein paar Tagen erz?hlte sie, wie sie ihren Entf?hrer damit tyrannisierte, dass sie Weihnachtsdekoration aufh?ngte. Ein neues Buch, ?Girl in the Cellar?, erforscht diese komplizierte Beziehung: wie eine junge Frau in einer Position der Schw?che langsam versteht, dass sie st?rker ist als ihr Entf?hrer, und wie sie diese Macht aus?bt. Leider wird in Deutschland niemand das Buch lesen k?nnen, weil die Anw?lte von Frau Kampusch es als Verletzung ihrer Privatsph?re sehen.

F?r mich als Engl?nder dreht sich die Kampusch-Geschichte eindeutig um so universelle Themen, dass ihr Recht, zu beeinflussen, was ?ber sie geschrieben wird, zur?cksteht. Es ist wichtig, dass gerade junge Menschen verstehen, was der Wille vermag. Natascha Kampusch ?berstand ihre Situation, indem sie die innere Ruhe fand abzuwarten ? eine Kombination aus Kampfeswillen und Geduld. Das Buch sollte in Deutschland nicht verboten sein, sondern in Schulen gelesen werden. Das wahre Geheimnis des Kellers liegt darin, dass man sich in ihn zur?ckziehen kann von der Welt, zu sich selbst finden kann. Dieses M?dchen aus ?sterreich hat das intuitiv verstanden und so ihr Verlies in etwas Positives verwandelt.

Nachdem ich von Kampuschs Weihnachtsdeko gelesen hatte, ging ich zum ersten Mal seit Monaten wieder in den Keller. Dort lagern die meisten meiner Unterlagen in einem gigantischen und ? in Zeiten des Internets ? etwas ?berfl?ssigen Archiv. In den grauen Metallschr?nken liegen rot gebundene Ausgaben des ?Spiegel?, die bis ins Jahr 1984 zur?ckreichen. Damals war der ?Spiegel? noch das Kollektivged?chtnis Westdeutschlands. Ich entsorgte dann einige Teile der deutschen Geschichte ? Cargolifter: M?ll, Solidarpakt: M?ll ?, bis ich merkte, dass ich damit auch meine eigene Geschichte wegschmiss.

Berliner Leben landen alle irgendwann im Keller, in einer Art Wartestand. Pl?tzlich kam es mir illoyal vor, den alten AmstradComputerbildschirm wegzuwerfen ? nie benutzt, aber das Erbst?ck eines Korrespondenten, als der seinen Job verlor. Daneben fand ich ein kaputtes Eishockeyspiel, die Abenteuer der Beatrix Potter, ein Holzschwert, eine Olympia-Schreibmaschine, die Tasche vom Berliner EU-Gipfel 1999 und den Berliner B?ren, den wir damals bekamen, als Wiedergutmachung, weil eine Stromunterbrechung im Presseraum uns an der Arbeit gehindert hatte.

Ein unaufger?umter Keller schreit nach Auslese, nach der Entscheidung zwischen jenen Teilen des eigenen Lebens, auf die man verzichten kann, und solchen, die vielleicht unn?tig, aber unentbehrlich sind. Mein ehemaliger Nachbar, ein preu?ischer Graf, lagerte im Keller lediglich seine Gewehre und seinen Wein. Entledigt sich der Adel vielleicht nie der Vergangenheit, sei sie noch so peinlich? Oder kaufen sie nie Vasen bei Ikea und haben deshalb nichts Peinliches in ihrem Besitz?

Wenn Berlin doch blo? das Sperrm?llsystem einf?hren w?rde, das es im Rheinland gibt! Was habe ich nicht alles weggeschmissen ? das Elchgeweih, eine Kiste mit russischen Souveniren, den explodierenden Toaster ? und dann durch die Vorh?nge beobachtet, wie alles Brauchbare, Reparierbare, gerade noch Sch?ne vom Bonner B?rgersteig aufgeklaubt wurde. Zuerst kamen die T?rken, dann die Polen, schlie?lich die Bosnier. Es war sch?n, sich die Zimmer auszumalen, die mit den Gegenst?nden eingerichtet waren, die ich aus meinem Keller herausgegraben hatte; zu denken, dass ein alter K?hlschrank ein Leben nach dem Tode haben k?nnte.

Ich bin sicher, dass es gut f?r Berlin und die Berliner w?re, wenn es eine monatliche Sperrm?llsammlung g?be. Wir alle m?ssen uns unserer Geschichte und unseren Fehlern stellen: Ab und zu m?ssen wir alle unserem Keller einen Besuch abstatten.

Aus dem Englischen ?bersetzt von Moritz Schuller.


[URL="http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/16.12.2006/2966461.asp"]http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/16.12.2006/2966461.asp[/URL]
17.12.06, 11:31:59

maulwurf

Oje, wenn da jemand so anf?ngt zu projizieren ... Aber es geht noch schlimmer, vor ein paar Tagen einen ganz ekelhaften Artikel im Standard gelesen, den ich nicht einmal verlinken will hier, wo P. gar als Romantiker bezeichnet wurde und die 8 1/2 Jahre mit einer ungl?cklichen Liebesbeziehung gleichgesetzt wurden. Schauerlich, was f?r kranke Geister sich da herumtreiben ...
17.12.06, 17:20:45

Walter Pöchhacker

21.12.06, 00:02:55

Walter Pöchhacker

21.12.06, 00:18:54
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