Walter Pöchhacker
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geändert von: Walter Pöchhacker - 17.05.08, 17:24:03
[B]Erster Akt:[/B]
Also: Der Andrang war bekanntlich riesig und der Saal - besser gesagt das Zimmer - war viel zu klein. Ein Zivilgericht hat eben für so einen Ansturm nicht die räumlichen Voraussetzungen. Kiebitze hatten so gut wie keine Chance und Dr. Wabl und ich hatten Probleme, unsere Frauen "unterbringen" zu können. Letztlich haben wir es aber geschafft. Die Verhandlung war bis 18 Uhr geplant, Pause war keine vorgesehen und im Zimmer war es drückend schwül.
Nicht erschienene Zeugen: [B]Mag. Maximilian Edelbacher [/B]- "Edelmax" - hat sich wegen eines von ihm organisierten Seminars entschuldigt. [B]Herr Schimanek [/B]- der unmittelbare Nachbar von Frau Sirny - blieb unentschuldigt fern und fasste eine Ordnungsstrafe ihn Höhe von 100 Euro aus. [B]Herr Holzapfel [/B]wurde unter dem falschen Vornamen "Thomas" geladen und erschien ebenfalls nicht.
[B]Frau Sirny [/B]ist zwar erschienen, konnte aber als Klägerin - das alte Verfahren wurde ja wieder aufgenommen und da hatte Sie ja Wabl verklagt - nicht gezwungen werden auszusagen oder sich befragen zu lassen. Sie zog es vor sich nicht befragen zu lassen und verpasste damit die einmalige Chance, Herrn Wabl und mir den Kopf zu waschen. Ihr Anwalt stellte fast keine Fragen an Zeugen, sondern beschränkte sich auf mehr oder weniger geistreiche und süffisante Bemerkungen.
[B]Herr Koch [/B]räumte ein, Frau Sirny möglicherweise ein falsches Alibi gegeben zu haben und schloss nicht aus, dass sie etwas mit dem Verschwinden von Natascha zu tun haben könnte. Frau Sirny wirkte zu diesem Zeitpunkt etwas unlocker!
Dann erschien der [B]"Star" NK [/B]selbst. Der Richter bekundete seine Absicht, wegen allenfalls persönlich bekannt werdender Details die Öffentlichkeit auszuschließen, trotzdem Dr. Wabl versicherte, keine intimen Fragen stellen zu wollen. Sogar Prof. Adamovich und weitere vier Mitglieder seiner Sonderkommission mussten den Saal verlassen. Nur wenige Vertrauensleute - darunter auch ich - durften bleiben.
Für mich war es die erste Möglichkeit, NK zu sehen. Ich gelangte aber bald zur Überzeugung, nicht wirklich etwas versäumt zu haben. Ich hatte befürchtet, dass NK in Weinkrämpfe ausbrechen würde und nicht mehr in der Lage sein könnte, weitere Fragen zu beantworten. Das Gegenteil war aber der Fall: Sie wirkte auf mich nicht nur arrogant und überheblich, sondern gab bei einigen Fragen spöttische Antworten.
Von vornherein war abzusehen, dass Sie ihrer Mutter pauschal die Mauer machen würde. Zu einem Problem wurde aber dann, dass der Richter darauf drängte, auch einfachste Fragen nicht zu stellen, weil er deren Sinn nicht verstehen könne. Von vielleicht 150 vorbereiteten Fragen durften vielleicht 5 gestellt werden. Darunter war eine für Außenseiter harmlos wirkende Frage, die aber tatsächlich von wichtigster Bedeutung war. [B]Die schnippisch gegebene Antwort war aufgrund von Zeugenaussagen die glatte Unwahrheit! [/B]Immerhin gab sie aber zu, Herrn Holzapfel auch schon persönlich getroffen zu haben
Als Vertauensperson von Wabl durfte ich zwar neben ihm wie sonst ein Anwalt sitzen, aber keine direkten Fragen an die Zeugen, Frau Sirny oder deren Anwalt richten. Ich konnte nur entweder Wabl von mir vorbereitete, schriftliche Fragen übergeben oder sie ihm einflüstern. Ein recht mühsames Unterfangen, welches mir bei der Hitze im Saal den Schweiß auf die Stirne trieb. So kam es, dass ich mein hitziges Temperament nicht immer im Zaum halten konnte – ein Wortgefecht mit Sirnys Anwalt brachte mir den ersten Verweis ein. Es sollte nicht der letzte gewesen sein.
Die vom Saal ausgeschlossenen Personen mussten sich nur 20 Minuten gedulden. Frau Sirny umarmte noch NK, die das Blitzlichtgewitter beim Verlassen des Zimmers sichtlich genoss. Der „Star“ verließ die Bühne.
[B]Frau Litschauer [/B]konnte glaubhaft versichern, Herrn Priklopil vor dem Verschwinden von NK in unmittelbarer Nähe eines ihrer Lebensmittelgeschäfte gesehen zu haben.
Zwei weitere – von Wabl nominierte – Zeuginnen waren gänzlich unbrauchbar. Eine davon war offensichtlich eine Trittbrettfahrerin, deren Widersprüche sogar Sirnys Anwalt auffielen. Eine Leistung, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte! Die zweite Zeugin wollte sich nicht mehr an von ihr angeblich gemachte Wahrnehmungen erinnern, trotzdem sie von Wabl mit hartnäckigen Fragen in die Enge getrieben wurde.
[B]Kronzeugin war Frau Glaser. [/B]Sie behielt die Nerven und berichtete z.B. über gemeinsame Arbeiten von Ronald Husek und Priklopil an einem Stromzählerkasten in einem Geschäft von Frau Sirny. Ebenso berichtete sie, dass man bei NK noch Abdrücke von Fingern in ihrem Gesicht sehen konnte, wenn sie von Sirny vom Hort abgeholt und in das Geschäft gebracht wurde.
Nun war der weltbekannte Kinderpsychiater - und was weiß ich noch alles - [B]Prof. Friedrich [/B]an der Reihe. Auf die Frage des Richters, wie er ihn ansprechen solle, gab er sich bescheiden: „Sagen sie einfach Dr. Friedrich zu mir“.
Nachdem er von NK nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden worden war, musste er nur zu seinem Gutachten vom April 1998 Stellung beziehen. Das am Anfang sehr selbstsichere und Herrn Wabl gegenüber herablassende Verhalten dauerte aber nicht lange an. Er sei eigentlich vom Sicherheitsbüro – über den rechtlichen Umweg der Staatsanwaltschaft – beauftragt worden, ein Gutachten zu erstellen, ob ein sexueller Missbrauch vorliegen könnte bzw. welche Möglichkeiten für das spurlose Verschwinden von NK in Betracht gezogen werden könnten.
In seinem Gutachten wird erwähnt, dass Vater und Mutter als Auskunftspersonen in Anspruch genommen wurden. Es wird auch erwähnt, dass noch eine ältere Freundin von NK befragt werden wird. Auf die Frage ob dies auch erfolgt sei, verneinte dies der Kinderpsychiater. Auf die Frage, warum er nicht – wenn nicht einmal das Opfer selbst befragt werden konnte – den Lehrkörper, Horttanten und Nachbarn befragt hatte, gab er die Belehrung ab, dass er genügend Material zur Verfügung gehabt hätte.
Dieses hätte aus Informationen des Sicherheitsbüros, Zeichnungen von NK und der Auswertung von Fernsehinterviews der Eltern sowie von Familienangehörigen bestanden. Alleine diese Erklärung muss wie ein (schlechter) Witz erscheinen: Journalisten waren also (angeblich) Erfüllungsgehilfen für sein Gutachten. Interviews – auch wenn es Rohbänder gewesen sein mögen – sollen persönliche Gespräche ersetzen?
Schließlich gab er sichtlich genervt zu, unter großem Zeitdruck gewesen zu sein und deswegen keine weiteren Personen selbst befragt zu haben(!) Schließlich wurde er mit dem Umstand konfrontiert, dass in seinem Gutachten nicht erwähnt wird (wurde von mir im Forum schon beschrieben), dass NK Kampusch Bettnässerin war.
Zu meinem Erstaunen bestritt das der Herr Professor. Auf mein müdes Lächeln begann ein heftiges Blättern in seinem „Werk“ und auch der Richter blätterte mit. Je länger Friedrich erfolglos nach der Passage suchte, desto länger wurde auch sein Gesicht.
Der Richter zeigte offensichtlich Erbarmen und erklärte sinngemäß, dass dieser Prozess nicht dazu da wäre, sein Gutachten abzumontieren. Daraus ergibt sich allerdings die Frage, wozu dann Friedrich überhaupt vorgeladen wurde, wenn dann nicht an seinem Lack gekratzt werden darf! Schließlich baute der Richter dem immer hilfloser wirkenden Stargutachter eine recht eigenartige Brücke. Er fragte ihn, ob sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse seit der Erstellung seines Gutachtens im Jahre 1998 geändert hätten. Friedrich – ich glaube einen erleichterten Seufzer gehört zu haben – räumt dies ein. Welche generell neuen Erkenntnisse es gegeben hat, stand nicht zur Debatte. Über spezielle neue Erkenntnisse dürfe er nicht sprechen, weil er ja nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden war. Eine typisch österreichsiche Lösung!
Man muss sich ein paar Ungeheuerlichkeiten stets vor Augen halten:
1) Das Sicherheitsbüro war ein paar Wochen nach dem Verschwinden von NK so hilf- und planlos, dass es nicht nur ein Gutachten über einen allfälligen sexuellen Missbrauch, sondern auch allgemein über die möglichen Hintergründe des Verschwindens erstellen ließ! Ein Psychiater versuchte sich als Kriminalist!
2) Das Sicherheitsbüro erkannte die offensichtlichen Mängel in diesem Gutachten nicht oder verschloss - aus welchen Gründen auch immer - davor die Augen. Dennoch wurden wegen dieses „Werkes“– so später Dr. Geiger – die anfänglichen Ermittlungen gegen Frau Sirny in eine andere Richtung gelenkt; nämlich von ihr weg!
3) Derselbe Psychiater übernahm nach der Flucht von NK als Chef des Beraterstabes ihre Betreuung. Wenn sich herausgestellt hätte, dass vielleicht doch Frau Sirny an der Entführung beteiligt war und er selbst wegen seines falschen Gutachtens die Polizei auf eine falsche Fährte geführt hatte, hätte dies für den honorigen Professor wohl keinen schlanken Fuß gemacht!
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